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    Aus unserer Festschrift von 1976:

    Oberleinach, Unterleinach und dessen heutiger Ortsteil Grupshausen bildeten zu Beginn ihres Bestehens eine Dorfgemeinschaft. In alten Urkunden finden sich für sie die Namen: Linahe, Lynach, Linach und Leinach. Erstmals 1235 wird Oberleinach als superior Linach in einer Urkunde gesondert erwähnt, so daß mit diesem Jahr die geschriebene Geschichte Oberleinachs beginnt. Gräberfunde aus der Hallstattzeit beweisen allerdings, daß die Vorgeschichte auch in diesem Gebiet viele Jahrhunderte zurückreicht.

    Das kleine Dorf am Oberlauf der Leinach unterstand im Laufe seiner Geschichte vielen Herrschaften. Das Kloster Fulda hatte hier Besitzungen, die Bischöfe von Würzburg und die Grafen von Henneberg waren Vogteiherren über das Dorf, diese belehnten wieder die Herren von Thüngen mit der Vogtei. Später verkauften sie das Dorf Oberleinach mit „Leuten, Gütern, Beeten, Zinsen, Gülten, Renten, Gefällen, Vogteien, Wasser, Wonne und Wald in Dorf und Feld", in dessen Besitz die drei Gebrüder von Dottenheim gelangten. Sie teilten das Dorf unter sich, und jeder der drei Ortsteile erlebte jetzt eine fast 50 Jahre währende bewegte Geschichte; denn immer wieder verkaufte der Herr des einen oder des anderen Ortsteils diesen ganz oder auch nur teilweise weiter. Schließlich gelang es im Jahre 1492 dem Probst Johann von Allendorf zu St. Burkard in Würzburg, alle diese Ortsteile in seinen Besitz zu bringen. Er bestimmte Oberleinach als sein Eigentum zur Stiftung eines Spitals in Würzburg. Doch da Bischof Lorenz von Bibra als Testamentar bei der Voll­ziehung der Stiftung mitwirkte, kam Oberleinach in den Besitz der Bischöfe zu Würzburg, die ihren Amtmann zu Veitshöchheim, zum Vogt über Oberleinach bestellten. So blieb es bis zur Säkularisation. Doch nicht nur Urkunden berichten aus dieser alten Zeit. Alte Bauten und Denkmäler legen noch heute von ihr Zeugnis ab. So ist zwar die alte Zehntscheune der Spitzhacke zum Opfer gefallen; das alte Zehnthaus aber, das schöne Fachwerkhaus Kirchgasse 6 an der Ecke zur Hofstraße, ist über die Zeiten hinweg erhalten geblieben. Die in das Fachwerk eingeschnitzte Jahreszahl 1699 verrät uns wohl sein Alter. In seinem Obergeschoß befand sich die Wohnung des Steuerbeamten, der für die Berechnung und Eintreibung des Zehnten verantwortlich war. Im Erdgeschoß befanden fanden sich die Kanzleiräume; darunter wölbt sich noch heute der mächtige Keller, wo die Oberleinacher Häcker den Zehnt ihres Mostertrages für den Fürstbischof einlagern mußten. Als napoleonische Truppen sich Oberleinach näherten, versuchten Oberleinacher Bürger, noch schnell in einem Seitenraum dieses Kellers die goldenen Kirchengeräte nebst wertvollen Paramenten einzumauern. Schon setzten sie die letzten Steine, schon glaubten sie ihr Vorhaben geglückt und wandten sich erleichtert um, da erblickten sie zu ihrem Schrecken einen französischen Offizier auf der Kellertreppe. Er fragte, was sie versteckt hätten. Da sie einsahen, daß jedes Leugnen sinnlos wäre, bekannten sie widerstrebend die Wahrheit. Der Offizier beruhigte sie. Zwar befahl er, das Versteck alsbald wieder aufzubrechen und Geräte und Paramente in die Kirche zurückzubringen. Doch versicherte er, daß er mit seinem Ehrenwort dafür bürge, daß nichts abhanden komme noch beschädigt werde. Er hat sein Wort gehalten.

    Das eindrucksvollste Gebäude in der Gemeinde aber ist zweifellos die Pfarrkirche mit dem wuchtigen romanischen Portal, in dessen Inschrift man die Geburtsurkunde des Dorfes sehen kann. Diese Inschrift lautet „V. RECK - MCXXXVI V. L.". Der Punkt hinter dem Namen V. Reck bedeutet, wie vermutet wird, daß der Name gekürzt ist und ungekürzt wohl „von Rechenberg“ lautet. Ein Bronzeleuchter, ehemals im Besitz der Oberleinacher Kirche und heute Eigentum des Mainfränkischen Museums zu Würzburg, scheint dies zu bestätigen. Aus einer Sphinx wächst der eigentliche Leuchter heraus. Die Tatzen halten das Wappen der Ritter von Rechenberg; sogar die beiden handähnlichen Ohren wiesen den Rechen auf. Der Name und die Jahreszahl geben uns demnach darüber Aufschluß. daß ein Ritter von Rechenberg im Jahre 11;6 die Kirche erbaute oder wenigstens am Bau beteiligt war. Die Sage weiß genaueres zu berichten. Der Ritter von Rechenberg nahm an einem Kreuzzug teil. Siegesgewiß zog das Heer aus, doch es geriet in Not Und Bedrängnis. Da gelobte der Herr von Rechenberg, in Linaha ein Kirchlein zu erbauen, wenn ihm Gott die Gnade schenke, seine Heimat wiederzusehen. Und als er glücklich zurückgekehrt war, hielt er sein Versprechen. Auf dem höchsten und schönsten Punkt ließ er das Kirchlein errichten, nach Art einer Burg umgeben von Mauern und Graben. Der Rest des Grabens, Zwinger benannt, ist heute noch zu erkennen. Innerhalb der Mauer lag der alte Friedhof. 16 Gadengebäude waren in die Mauer eingebaut. In diese Gadenhäuschen und -keller flohen die Oberleinacher, wenn Gefahr drohte. Der einzige Eingang befand sich dort, wo heute altes Pfarrhaus und Schule zusammenstoßen. Diese kirchenburgartige Anlage wurde bei späteren Kirchenumbauten wesentlich geändert. 1608 wurden schon die meisten Gadenhäuschen abgetragen und ein Mauerstück eingeebnet, als die Kirche im Echterstil erweitert wurde-Infolge Blitzschlags brannte 1723 der 75 m hohe Turm ab. Sein Untergeschoß nördlich des Chores dient heute noch als „alte Sakristei". Damals erhielt die Kirche den Dachreiter, der ihre Silhouette in charakteristischer Weise von denen der Dorfkirchen in der näheren Umgebung abhebt.

    Zweimal innerhalb kurzer Zeit und jeweils am selben Tag, am 17. August 1691 und wieder am 17. August 1698, wurde das Dorf von einer Katastrophe heimgesucht: jedesmal brannte es fast völlig nieder. In Erinnerung daran feierte bis zu Beginn unseres Jahrhunderts die Oberleinacher Bevölkerung den 17. August, den „Brenntag", als Feiertag. Kein Feuer, nicht einmal ein Herdfeuer, sollte an diesem Tag im Dorfe entzündet werden. Heute wird dieser Feiertag nicht mehr begangen.

    Steht man auf einem der Berge, die Oberleinach umgeben, und blickt man hinunter auf das Dorf im Tal, so sieht man, daß Oberleinach seinen Charakter als Häckerdorf eingebüßt hat. Wo früher Reben sich bis an die Häuser hinzogen, gedeihen heute Obstanlagen; fruchtbare Felder werden mit Zuckerrüben und Weizen bebaut; Kiefernwälder bedecken die Höhen. Und mitten darin liegt eng ineinandergeschachtelt das Dorf. Langsam breitet es sich aus. Neue Gebäude entstehen. Viele seiner Bewohner haben außerhalb des Dorfes Arbeit gefunden. Mancher Acker wird nach Feierabend erst bestellt. Gern findet sich die Bevölkerung nach der mit Fleiß getanen Arbeit zu fröhlicher Geselligkeit. Daß es dem Dorf und seinen Bewohnern weiter beschieden sei, in Fleiß zu schaffen und in Frohsinn zu feiern, sei der abschließende Wunsch dieser kleinen Chronik.

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